Blog - Hinter den Kulissen

Große Ausstattung - detailverliebt

Im Gespräch mit Pascal Seibicke

Am TN LOS! ist Pascal Seibicke erstmals zu Gast. Er hat die die Gesamtausstattung der Deutschen Erstaufführung des Musical-Dramas »Jane Eyre« übernommen. Beim forschenden Blick ins Internet fällt auf, wie viel dieser junge Mann schon geleistet hat. Große Häuser, darunter die Staatsoper Hamburg, das Festspielhaus Baden-Baden, das Staatstheater Wiesbaden, das Staatstheater Darmstadt, das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, das Mainfrankentheater Würzburg und das Bayerische Staatsschauspiel hatten Pascal Seibicke bereits verpflichtet. Weitere Informationen und spannende Fotos finden Sie auf seiner Homepage: pascal-seibicke.com

 

Pascal, wenn man Ivan und dich sieht, seht ihr wie ein eingespieltes Team aus? Wie habt ihr künstlerisch zusammengefunden?

Ich bin oft in Würzburg am Mainfrankentheater zu Gast, wo auch Ivan vorher tätig war. Obwohl wir uns nicht begegnet sind, hat er doch etliches von meinen Arbeiten gesehen, weil er in Würzburg noch viele Freunde und Bekannte im Theater hat, deren Produktionen er besuchte.

Als ich zur Maskenabgabe für ein anderes Stück dort war, drückte mir der Chefmaskenbildner das Handy mit den Worten: »Hier, ich habe einen Job für dich.« in die Hand. Und da war Ivan am Apparat und fragte mich, ob ich Lust auf eine gemeinsame Arbeit hätte.

Ist es deine erste Arbeit an einem Musical?

Die zweite. »Anatevka« war meine erste Musical-Produktion für die Schlossfestspiele Heidelberg. Für mich ist es von der Arbeit gleich, ganz egal, ob Oper, Schauspiel oder Musical, ich mache immer aufwendige und detailreiche Ausstattung. Musical ist vielleicht temporeicher, es gibt schnellere Ortswechsel. Da braucht man dann einfach eine kluge Lösung.

Nun ist die Bühne in Nordhausen technisch nicht vergleichbar mit Bühnen, die über mehrere Hubpodien und andere Finessen verfügen. War das eine besondere Herausforderung für die schnellen Umbauten?

Grundsätzlich empfinde ich kleinere Räume als ganz angenehm und eine Herausforderung zugleich, weil der ganze Rahmen dann eine gute Intimität hat und ich finde, man kann doch sehr viel mit der klassischen Theatermaschinerie machen. Händische Manpower ist manchmal ganz schön, wenn man nicht von möglicherweise ausfallender Elektronik abhängig ist. Ich mag das.

Ist dir die Geschichte von »Jane Eyre« schon begegnet, bevor Ivan auf dich zukam?

Ich habe tatsächlich die Filme vorher gesehen und zufällig hatte ich über die deutschsprachige Erstaufführung in Gmunden (Österreich) etwas gelesen. So hatte ich zumindest eine Ahnung davon, als Ivan mich fragte. Ich dachte, okay, die Geschichte kenne ich grob, aber was es dann wirklich bedeutet, habe ich erst beim Lesen festgestellt. Da steckte noch viel, viel mehr dahinter als das, was ich im Hinterkopf hatte.

Kommen dir die ersten Gedanken und Bilder für eine Umsetzung schon beim Lesen des Stückes?

Ich höre immer Aufnahmen und fange dann meistens an, in meiner Bildersuche zu stöbern, blättere zu Hause in Bildbänden und lasse mich inspirieren. Ich bin ein großer Kunstbuchsammler und mag es auch sehr, wenn man noch blättern kann.

Gab es für »Jane Eyre« einen Initialfunken? Ihr habt ja als Hauptelement diese Säulen mit den Facetten…

Das sind Zinnpaneele. Ich bin tatsächlich zuerst auf das Material gestoßen und dachte, das ist es. Ich hatte zuerst die Oberfläche, die hat schon viel Geschichte von ihrer Haptik in sich. Das Material hat total viel Tiefe, Struktur und spielt auch viel mit Schatten. Die Säulen, die damit beklebt sind, spiegeln schön, können aber auch düster und kalt sein. Da gibt schon das Material eine große Spannbreite der Emotionen her.

Du hast dann dadurch auch beim Beleuchten viel Möglichkeiten …

Genau. Ich kreiere viel Bühnenbilder, die vom Licht leben und mit Licht erst richtig funktionieren und zum Leben erwachen. Beleuchten ist für mich dann auch noch einmal ein Highlight in der Arbeit. Ich liebe das sehr.

Ivan auch. Ich hoffe, ihr habt da auch gut zusammen gefunden.

Ja, es ist sehr harmonisch. Wir haben ähnliche Ansätze, weil wir uns den Grundrahmen klar gesetzt haben, dass es eine Abstraktion ist, aber trotzdem einen leicht historisierenden Touch hat und wir beide sehr auf Stimmung, auf Emotion setzen. Das funktioniert sehr gut mit uns beiden.

Die Grundidee von dem Dachboden, der sich verwandelt und den Säulen – habt ihr das in gemeinsamen Gesprächen gefunden? Wie habt ihr euch an die Realisierung der Bühne herangetastet?

Ivan sagte, und das fand ich total schön, »mach erst mal und zeig mir, was du so im Kopf hast«. Das ist für eine erste Zusammenarbeit wunderbar, weil Ivan dadurch ein Gefühl für mich und meine Gedanken bekommt und ich auf sein Feedback hin erfahre, was für ihn wichtig ist. So habe ich erst einmal etwas entworfen …

War das schon so in etwa das, was wir jetzt auf der Bühne sehen?

Ja, es war relativ schnell das. Wir haben dann noch genauer justiert, sind es acht Säulen, sind es zehn Säulen usw. Das fand ich erfrischend und schön, dass er einfach sagte: »Mach mal!«

Du hast ja auch die Kostüme entworfen. Die Bühne wirkt eher modern, die Kostüme, sind die das Kontrastprogramm?

Die sind genau die Mischung. Ich versuche immer, zu überzeichnen, ohne dabei die Rollenprofile zu verlieren. Ich bringe kleine Einschläge aus der Historie ein, will aber dabei modern bleiben, damit es zur Bühne passt. Natürlich schaue ich auch, dass es dramaturgisch passt. Zum Beispiel Mrs Fairfex, die im Stück das Urgestein im Hause ist, sie ist am klarsten historisch angelegt, beim Chor, der eher Partygäste darstellt, entfernen wir uns weiter in die Moderne. Mir ist wichtig, dass die Kostüme auch etwas erzählen und nicht nur nettes Beiwerk sind.

Habt ihr viel im Fundus gefunden, hast du viel machen lassen? Suchst du die Materialien selbst mit aus?

Ich bin erstaunt, wie viel die Abteilung jetzt neu gemacht hat und ziehe meinen Hut davor, was diese kleine Abteilung gerade rockt. Es tut mir schon ein bisschen leid, dass ich sie an ihre Grenzen bringe, wenn ich dann am Morgen reinschaue und sage, »ich hab noch eine kleine Sache …« Es ist aber so schön, weil sie dabei Spaß haben und wir alles zusammen kreieren können. Viele Materialien habe ich gekauft. Ich habe so meine Lieblingsmaterialien, Samt und Leder natürlich, aber auch – gerade für Jane – sehr luftige Stoffe, die zur Rolle passen.

Bist du da sehr detailverliebt?

Ja! Sehr detailverliebt. Das ist auch der Reiz gerade – hier noch eine Rüsche und da noch einen bezogenen Knopf, da hätte ich gern noch etwas Kleines und hier noch ein Schleifchen. Es steckt viel Handarbeit in den Kostümen. Da ist nichts, was man so eben schnell mit der Nähmaschine runterrattern kann.

Ich habe deine Figurinen gesehen, das ist auch eine Herausforderung an die Maskenabteilung. Du überzeichnest die Typen in den Figurinen – ist das dann auch auf der Bühne so zu sehen?

Auch die Maske in »Jane Eyre« ist sehr aufwendig und groß. Die Maskenabteilung hier hat in den letzten Wochen Perücke für Perücke geknüpft. Ich mag das, mit wieviel Herzblut sie dabei sind. Auch hier meine Hochachtung vor der Abteilung. Ja, ich überzeichne auch mit den Perücken, natürlich nicht bei Jane Eyre, die ist die natürlichste, die purste Figur, auch Rochester ist sehr klar. Der ist von der Maske eher in die historische Richtung angelegt, was Jane überhaupt nicht ist. Sie ist quasi, die Unschuld pur, das unbedarfte Blatt. Sie hat aber auch eine strenge Weichheit. Für den Chor wird es sehr aufwendig, mit vielen Perückenwechseln. Ich bin gespannt auf die Klavierhauptprobe, das ist immer ein spannender Moment, wo man alles zusammen sieht.

Eine Komplettausstattung ist ja auch für dich eine zeitliche Herausforderung, bist du auch auf allen Proben dabei?

So ziemlich. Ja, jetzt bei den Bühnenproben sehe ich, wie schnell muss zum Beispiel der Umzug sein, wie bekommen wir das hin oder ich bemerke, dass es vielleicht nicht gut ist, wenn der Darsteller in der Situation den Mantel trägt oder sehe, dass es für die Handlung auf der Bühne noch Details fordert. Nebenbei kann man da auch schon organisieren, die Darsteller auf einen schnellen Umzug aufmerksam machen usw., einfach Energien bündeln. Natürlich sehe ich auch Sachen, auf die ich noch reagieren und die ich ändern kann.

Was sind deine nächsten Projekte?

Dies ist meine letzte Premiere in dieser Spielzeit, da bin ich eigentlich ganz froh, es waren in den letzten Wochen doch einige. Dann mache ich mich jetzt ans Modellbauen und die Vorbereitung der neuen Produktionen. Es fangen die Vorproben zu »Così fan tutte« am Staatstheater in Mainz an, dann arbeite im Schauspiel in Leipzig und in Karlsruhe und habe eine Produktion in Kiel und auch Augsburg. Nächste Spielzeit ist schon ganz schön voll.

 

Renate Liedtke

Zurück

Das könnte Sie auch interessieren