Blog - Im Gespräch mit...

»DER MENSCH MUSS LIEBEN, ...« (Jane Eyre)

EINE DER BEWEGENDSTEN LIEBESGESCHICHTEN AUF NORDHAUSENS MUSICAL-BÜHNE

Chefdramaturgin Juliane Hirschmann im Gespräch mit Eve Rades (Jane Eyre) und Jonas Hein (Edward Fairfax Rochester)

 

Ihr seid für die Proben zu dem Musical »Jane Eyre« nach Nordhausen gekommen. Wo lebt ihr normalerweise? Welche Verpflichtung hattet ihr vor der Probenzeit hier?

Jonas Hein Ich wohne seit ein paar Jahren in Wuppertal und komme gebürtig aus Siegen. Einige Jahre hatte ich ein festes Engagement in Hildesheim, bin jetzt aber schon seit über 12 Jahren freischaffend tätig. Bevor ich hierher nach Nordhausen kam, hatte ich am Stadttheater in Fürth in der Uraufführung von »Knockin’ on Heaven’s Door« nach dem Film mit Til Schweiger und Jan Josef Liefers gespielt und in Bielefeld das Sondheim-Musical »Die spinnen, die Römer« gemacht. Davor habe ich in Oberhausen im „Tanz der Vampire“ und zwei Jahre in Disneys »Der Glöckner von Notre Dame« mitgewirkt.

Eve Reades Ich stamme gebürtig aus Berlin und bin für die Liebe an meinen jetzigen Wohnort, nach Frankfurt gezogen. Vor »Jane Eyre« war ich für das Musical »Männer« nach einem deutschen Film von Doris Dörrie mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht am Theater Heilbronn engagiert. Auch für »Born to be Wild?«, eine musikalische Revue über die 68er-Bewegung, stand ich am Theater Heilbronn auf der Bühne.

 

Habt Ihr zwei schon einmal zusammengearbeitet?

Eve Reades Nein, aber wir kennen uns von gemeinsamen Zugfahrten! Wir sind schon oft zusammen zu Auditions gefahren. Doch das erste Mal haben wir uns in Hildesheim gesehen, als ich dort vorgesungen habe.

Jonas Hein Man kennt sich in dem Business natürlich durch gemeinsame Produktionen, aber man begegnet sich auch ganz oft jenseits davon bei Vorsingen, und mit manchen Menschen bleibt man dann in Kontakt. Ich finde es schöner sich vor einem gemeinsamen Engagement bereits auf privater Ebene kennen gelernt zu haben. Da hat man natürlich ein ganz anderes Vertrauensverhältnis. Ich denke, man spürt auch in den Proben zu »Jane Eyre«, dass wir beide so ein Grundvertrauen zueinander haben.

 

Habt ihr das Musical »Jane Eyre« vor eurem Nordhäuser Engagement schon gekannt?

Jonas Hein Ich kannte zuvor weder den Roman noch das Musical. Erst durch meine Vorbereitungen auf das Stück habe ich erfahren, was für ein bedeutsamer Roman den Musicalautoren als Vorlage diente und war sofort gefesselt.

Eve Rades Bei mir war es nicht anders. Mir war eher Jane Austen ein Begriff. Doch im Moment höre ich den Roman »Jane Eyre« als Hörbuch während meiner Autofahrten. Seit Probenbeginn nehme ich das Buch noch intensiver wahr. Die Details darin dienen mir als »Futter« für meine Rollenfindung.

 

Es gibt ja sehr viele Verfilmungen des Romans »Jane Eyre«, darüber könnte man sich dem Musical auch annähern.

Jonas Hein Ja, ich habe die neueste Verfilmung aus dem Jahr 2011 gesehen, mit Judi Dench in der Rolle der Mrs. Fairfax. Es ist spannend; sich klarzumachen, welch große Bedeutung diese Geschichte um Jane Eyre für viele Menschen hat.

 

Das Musical ist relativ nah am Roman dran. Ein Roman hat natürlich noch mehr Möglichkeiten zu beschreiben, ist viel detaillierter als ein Bühnenstück. Aber im Grunde fehlt in unserem Musical nichts Wesentliches.

Eve Rades Manchmal ist der Geschichtsverlauf ein wenig anders. Es gibt jedoch viele Passagen in dem Musical, die wortwörtlich aus dem Roman übertragen wurden.

 

Es ist ein Musical, das hier bei uns doch recht unbekannt ist. Es wurde im Jahr 2000 erstmals am Broadway gespielt. Dann gab es 2018 die deutschsprachige Erstaufführung im Österreichischen Gmunden, und wir sind jetzt das erste Theater, das das Stück in Deutschland aufführt. Ist es für euch etwas Besonderes, so ein bisher kaum verbreitetes Werk auf die Bühne zu bringen? Oder ist es aufregender, etwas Populäres zu spielen?

Jonas Hein Wenn man ein bekanntes Stück spielt, werden oft Vergleiche gezogen. Das spornt mich an, etwas Eigenes zu machen. Bei einem unbekannten Musical wie »Jane Eyre« finde ich es gerade reizvoll, dass man beim Anlegen einer Rolle keine Vergleiche hat. So eine Romanfigur wie Edward Rochester auf der Bühne zum Leben zu erwecken ist für mich als Darsteller eine der dankbarsten Aufgaben.

 

Was macht aus eurer Sicht eure jeweilige Figur aus? Was schätzt ihr an ihr?

Eve Rades Die größte Angst von Jane Eyre ist die, dass ihr Leben so an ihr vorbeizieht, da sie ja im Grunde nichts erleben darf. Sie erliegt dem Schicksal der Frau, die zur Untätigkeit gezwungen ist. Sie will genauso wie ein Mann die Welt sehen, erleben und freie Entscheidungen treffen können. Jane Eyre ist in ihrem Denken und Fühlen dem Frauenbild der damaligen Zeit weit voraus.

Jonas Hein Interessant ist bei dem Stück, dass die zwei Hauptfiguren aus völlig verschiedenen Welten kommen, doch beide ganz ähnliche Sehnsüchte und Beweggründe haben. Es fällt ihnen schwer, auszusprechen was sie für einander empfinden. Rochester merkt schnell, dass Jane Eyre ganz anders ist als alle anderen Frauen, denen er vorher begegnet ist. Aber seine Vergangenheit und die Angst, verletzt zu werden, liegen wie ein dunkler Schleier über allem.

 

Findet ihr euch persönlich in den Figuren wieder?

Eve Rades Ich kann z.B. nicht lügen, das kann Jane Eyre auch nicht. Und ich glaube, dass ich auch ganz gut zuhören kann, würde ich sagen. Aber am spannendsten an Rollen, die ich verkörpere, ist, wenn sie anfangs ganz weit weg von mir erscheinen und ich mit der Zeit entdeckte, was ich mit der Figur vielleicht doch alles gemeinsam habe.

Jonas Hein Ja, je weiter eine Rolle von mir selbst entfernt ist, desto aufregender finde ich es, sie zu spielen. Die Gemeinsamkeit zwischen Rochester und mir ist, dass wir sehr analytische Menschen sind. Wir haben eine starke Empathie für die Gefühle anderer. Jane Eyre ist für Rochester ein gefundenes Fressen, da sie so wenig von sich preisgibt, was ihn noch mehr antreibt, weiter in die Tiefe zu gehen.

 

Die Geschichte in unserem Musical ist, wie die im Roman, in der Vergangenheit angesiedelt. Die Gesellschaftsstrukturen mit ihren Standes- und Klassenunterschieden, ihren moralischen Vorstellungen, wie sie für das Viktorianische Zeitalter in England typisch waren, prägen das Schicksal Jane Eyres und die Liebe zwischen ihr und Rochester. Was macht das Stück für euch heute interessant oder relevant?

Jonas Hein Es sind die Gefühle, die beide durchleben, die heute nicht anders sind als damals. Sie sind universell und absolut zeitlos.

Eve Rades Das Zusammenfinden der beiden ist von der Angst geprägt, verletzt zu werden. Und diese Angst, zu seinen Empfindungen und Zuneigungen zu stehen, kann über alle Zeiten hinweg ein Problem sein.

 

Rochester trägt ein Geheimnis mit sich herum, das er im Verlaufe der Geschichte immer weniger verstecken kann. Es liegt sowohl im Roman als auch im Musical wie eine Bedrohung über allem. Diese Bedrohung empfindet Jane, auch für die Rezipierenden, die bis zum Schluss im Unklaren gelassen werden, entstehen so manche gruseligen Momente …

Jonas Hein Für mich ist diese Bedrohung total wichtig in dem Stück. Rochester verbirgt seine Vergangenheit vor der ganzen Welt. Es hängt alles für ihn daran, dass sie ein Geheimnis bleibt. Die damit verbundene Last, die immer größer wird, und die täglich stärker werdenden Gefühle zu Jane lassen die direkte Konfrontation immer näher rücken. Für den Zuschauer, der die Geschichte nicht kennt, ist die Frage: Was ist da, was wird da verhandelt? Was spitzt sich da zu? Später bricht das ganze Kartenhaus zusammen. Es ist alles schon wahnsinnig spannend gemacht. Das gibt es natürlich auch heute noch, dass man jahrelang mit jemanden zusammen ist und denkt; sich zu kennen und plötzlich kommt ein Geheimnis ans Licht, das alles verändert.

Eve Rades Es ist Wahnsinn, wenn du von heute auf morgen so eine Distanz zu einem Menschen hast. Du stellst plötzlich alles in Frage. Doch Jane Eyre kann sich für Rochester und die Liebe entscheiden. Dieser Weg fühlt sich für sie am Ende, trotz allem, genau richtig an.

 

Die Probenzeit bis zur Premiere dauert insgesamt sechs Wochen. Es ist eine lange und intensive Zeit. Was macht ihr in Nordhausen, wenn ihr nicht gerade probt?

Jonas Hein Momentan sind wir immer auf die gleichen Wege eingestellt. Morgens gehen wir zur Probe, mittags wird etwas gegessen, dann lernen wir Text, und abends geht es wieder zur Probe. Eve und ich wohnen hier in Nordhausen im gleichen Haus. Da gibt es dann im Grunde auch einen ständigen Austausch über unsere Arbeit.

Eve Rades Ich habe ja schon früher in Nordhausen gastiert und konnte viele Eindrücke sammeln. Neben Theaterbesuchen habe ich auch schon die Umgebung etwas erkundet. Unter anderem war ich schon im Affenwald in Straußberg und im Harz wandern.

Jonas Hein Doch nun kommen wir in die heiße Probenphase …

Eve Rades … und können die Premiere von »Jane Eyre« kaum erwarten!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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